2. Tag:
Gleich nach dem Frühstück geht es nach Törzburg (Bran). Dort thront ziemlich spektakulär auf einem steilen Felsen die mittelalterliche Burg mit ihren Türmen, Erkern und Zinnen. Erbaut wurde die Burg 1377 von den Siebenbürger Sachsen aus Brasov um die Passstraße zu schützen und um Türkeneinfälle abzuwehren.
Die Burg wird vor allem mit dem allseits als blutrünstig bekannten Fürsten Dracula in Verbindung gebracht. Einen derartigen Fürsten gab es tatsächlich. Es handelt sich um Vlad III. Draculea, welcher im 15. Jahrhundert mit Vorliebe seine Gegner pfählen ließ und deshalb auch den Beinahmen „Tepes“ (der Pfähler) erhielt. Es handelt sich um eine sehr grausame Hinrichtungsart, bei welcher ein eingefetteter Holzpfahl durch die rückwärtige Körperöffnung eingeführt und durch den gesamten Körper getrieben wurde, was zu einem langsamen und qualvollen Tode führte. Nach zeitgenössischen Quellen dürften tausende Osmanen, politische Gegner und deutsche Kaufleute so ums Leben gekommen sein. Ganz aus der Mode gekommen scheint diese Todesart jedoch nicht zu sein. Nach Scholl-Latour ist auch Gaddafi so gestorben.
Jedenfalls dienten die Schauergeschichten als Vorlage für den Roman des Irischen Schriftstellers Bram Stoker. Die Ceausescu-Regierung verlegte den Wohnsitz Draculas aus touristischen Gründen auf die Burg Bran (Törzburg), obwohl Vlad III. wohl nie hier war. Es gibt aber auch keinen Beweis, dass er nicht hier war.
Den 500.000 Besuchern, die jährlich den rund 15-minütigen Aufstieg vom Parkplatz über einen Park zum Seitenportal auf sich nehmen, ist dies anscheinend egal. Auf dem Weg zum Kassenhäuschen geht es an zahlreichen Verkaufsständen vorbei, an denen Dracula gnadenlos vermarktet wird. Da kann einem der Bösewicht fast schon wieder leid tun. Man bekommt neben allerlei Volkskunst Dracula Souvenirs in jeglicher Form angeboten. Die Burg wurde 1920 an die rumänische Königin Maria übergeben, welche die Innenräume im Stil eines Jagdschlosses umgestaltete. Von der ursprünglichen mittelalterlichen Möblierung ist nichts mehr vorhanden. Trotzdem lohnt sich die Besichtigung wegen der schönen Lage, der Architektur und der Aussicht aus dem mehrfach umgebauten Gemäuer. Wir entfliehen nun dem Dracula-Rummel und fahren nach Fogarasch, wo wir eine Mittagspause einlegen.
Anschließend fahren wir auf einer schönen Serpentinenstraße Richtung Balea-Pass. Leider können wir mit dem Bus den Gletschersee nicht erreichen, weil dort noch Schnee liegt. Wir entscheiden die antiquierte Seilbahn zum See nicht zu benutzen und stattdessen zu einem Wasserfall zu wandern. Über Stock und Stein entlang eines Gebirgsbaches kommen wir schließlich an einem eindrucksvollen Wasserfall an, dessen Anblick für den doch recht beschwerlichen Aufstieg entschädigt. Auf dem gleichen Weg geht es wieder zurück zum Bus.
Wir fahren nun am Fuße des schneebedeckten Fogarascher Gebirges vorbei zum Dorf Cartisora (Oberkerz) und besichtigen eine frühgotische Kirchenburg, in welcher ein Zisterzienserkloster beheimatet war. Heute ist es eine malerische Ruine. In einem der noch erhaltenen Gebäude ist die evangelische Kirche untergebracht. Der gesamte Gebäudekomplex macht einen sehr gepflegten Eindruck. Der verantwortliche Pfarrer ist ein hünenhafter Siebenbürger Sachse. Er betreut als guter Hirte die letzten verblieben Schäflein in mehreren Gemeinden. Wir lauschen seinem äußerst kurzweiligen aber auch nachdenklichen Vortrag über die Geschichte der Siebenbürger Sachsen und über die Zukunftsaussichten seiner Gemeinde.
Kaum vorstellbar ist, dass in Siebenbürgen einmal ca. 800 000 Deutschstämmige wohnten, welche hier ein blühendes Gemeinwesen aufgebaut hatten. Sie waren im Mittelalter vor allem den Angriffen der Osmanen und Tataren ausgesetzt. Bis auf einige wenige Zurückgebliebene sind nun alle fort. Sie wurden je nach politischer Lage umgebracht, deportiert, freigekauft, umgesiedelt oder sie sind ausgewandert. Die sogenannten Siebenbürger Sachsen hinterließen ein ca. 850-jähriges kulturelles Erbe, welches nun unaufhaltsam dem Verfall preisgegeben ist. Nachgerückt sind vor allem Roma, welche oft nicht das Interesse und den Ehrgeiz haben die historischen Gebäude zu erhalten.Wir hätten noch lange dem Pfarrer zuhören können. Leider müssen wir noch ein gutes Stück zu unserem Hotel fahren.
Ziemlich müde von den zahlreichen Erlebnissen kommen wir dann gegen 19.30 Uhr im Hotel Vila Briana Paltinis an. Das Hotel befindet sich weit außerhalb jeder Ortschaft an einer Nebenstraße. Das hat den Vorteil, dass es absolut ruhig ist. Wir sind auch die einzigen Gäste.
Während des Abendessens können wir noch einmal den Tag Revue passieren lassen. Die Geschichte von Vlad III. Dracula beschäftigt doch noch manchen Reisegast. Nachdem nämlich Vlad selbst auch keines natürlichen Todes gestorben war, wurde sein Kopf in Honig eingelegt dem Sultan in Konstantinopel überbracht. Der Körper wurde auf einer Insel bei Bukarest bestattet. Als man das Grab öffnete, fand man keinen Leichnam. Dies gibt mir wiederum zu denken. Ich werde den Wirt fragen, ob er nicht einen Knoblauchschnaps hat.